Wenn Gott die Liebe ist, warum ist er dann wahrhaftig größer als ein Gefühl?
Warum Schweigen? Und ausgerechnet bis Ostern?
In Jesaja 60,1 heißt es: „Auf werde Licht, denn es kommt dein Licht, und die Herrlichkeit des Herrn geht leuchtend auf über dir.“ Daran wollte ich mich halten. In Stille in der Abtei Varensell und so wurde ich mit reichem Segen beschenkt. Zuerst kam ich am 30.11.2018 gegen 1530 Uhr im Kloster an und über mich brach die Stille herein. Wohltuend, friedlich, lösend. Das tat unendlich gut. So wurde auch ich Stille. Allerdings erging es mir dabei eher wie Elia (in 1. Kön. 19). Ich suchte Gott und schwieg dabei. Ich suchte in den Gängen, in den Menschen, in der Kirche und in der Krypta.
Dort legte ich mich dem Allerheiligsten zu Füßen und begann zu beten. Ich ließ alles zu. Ärger, Trauer, Wut, Verzweiflung. Und ich bat um Vergebung, bat um Hilfe – für mich, für andere – bat um Heilung. Doch die Stille wurde nicht lauter. Doch war da plötzlich mehr. Da war Gott. Wie aus dem Nichts ordnete er seine Schöpfung neu und auf den Sabbath, das große Schweigen zu (Gen 1,1-2,4a) Das tat gut. Ruhe wirkte heilsam und ich begriff, was mir fehlte. Ich begriff, was da draußen fehlte. Ich sah die Missstände und alles hatte einen Sinn. Diese Begegnung mit Gott in der Krypta hat mir neues Leben eingehaucht, zeigte mir die Stille als etwas sehr sakrales. Daher beschloss ich diese Stille – durch mein Schweigen – in die laute, tösende Welt zu tragen. Ich wollte durch den nahenden Advent mit Maria auf Christus als Kind zugehen und das Fasten in der Osterzeit als Schweigen zelebrieren, um der Trauer über seinen Tod Ausdruck zugeben. Am Ende des Schweigens soll mein Krächzen in den Jubel der Engel über seine Auferstehung einstimmen. Darum bitte ich Euch auch für mich zu beten und vielleicht mit mir gemeinsam zu schweigen. Für ein paar Minuten, Stunden oder Tage.
„Und ich erkannte, dass sie die Stille nötig hatten. Denn nur in der Stille kann die Wahrheit eines jeden Früchte ansetzen und Wurzeln schlagen.“ Antoine de Saint-Exupéry. Und wieder Jesaja (Jes 30,15): „Wenn ihr umkehrtet und stille bliebet, so würde euch geholfen; durch Stillsein und Hoffen würdet ihr stark sein. (Aber ihr wollt nicht.)“
Auf diese Sätze richtet sich nun mein Vertrauen. Denn ich trauere mit denen, deren Kindheit von Päderasten und Mördern getötet wurde. Mein Schweigen richtet sich solidarisch mit den Opfern der Vergangenheit aus. Die Weisung „Stört die Liebe nicht. Gebt der Liebe Raum.“ aus dem Hohelied (Hld 8,5) haben diese Mörder und Päderasten pervertiert – in ihrem Sinne missbraucht, sodass nun alle so missbrauchten Kinder und Jugendlichen ohne Hilfe ein gestörtes Verhältnis zur Liebe haben. Das ist der wahre Satan. Er zerstört die Schwachen und Hilflosen, um nachher ein leichtes Spiel zu haben. Zurück bleiben Scham und Verzweiflung. Daher lässt Markus (in Mk 9,42) auch Jesus sprechen „Wer einem von diesen Kleinen, die an mich glauben, Ärgernis gibt, für den wäre es besser, wenn er mit einem Mühlstein um den Hals ins Meer geworfen würde.“ Aber wir sind alle diese „Kleinen, die an ihn glauben“ und so sollen wir auch vergeben. Das fällt schwer. Und ich hätte in meiner Kindheit lieber Laudanum genommen, als dieses Unrecht noch weiter ertragen zu müssen. Aber groß ist der Herr, der das verhindert hat. Daher schweige ich auch für Gerechtigkeit und für Gott. So wie Kardinal Woelki mit seiner „stummen Predigt“ vorgemacht hat, ist es richtig. Er schwieg aus Scham und Verzweiflung und nicht, um die Täter zu decken. In diesen Chor reihe ich mich bis Ostern ein.
02.12.2018
Das Schweigen macht Sinn. Es gibt viele feinfühlige Menschen. Gott segne sie und alle anderen. Amen.